Und manchmal ein Hauch von Gülleduft

Zweitägiges entgleist-Festival – fast wie ein Familientreffen
Und manchmal ein Hauch von Gülleduft
Von J ö rg Jörg Marten

kalbe Da flogen die Haare: Bassist TDK sorgte mit Low Life Loretta am Freitag für einen krachigen Auftakt. Fotos (13): Jörg Marten
Mehrere hundert Besucher kamen am Wochenende zum siebten entgleist-Festival nach Kalbe. In äußerst entspannter Atmosphäre gab es am Freitag Musik der härteren Gangart, am Sonnabend dann massenkompatiblere Klänge.

Kalbe. ” Ein übelst geiles Festival “, lobt Etze 25. Immerhin diesen sehr treffenden Satz bringt der Rapper aus Stuttgart, einst in Bismark aufgewachsen, heraus, ohne ihn vorher vergessen zu haben. Die Texte, die Etze 25 mit seinen Kantdivaz singen wollte, hat der angetrunkene Hobbykünstler nämlich zumeist vergessen.

Diese Peinlichkeit aber bleibt die einzige beim entgleist-Festival. Zwei Tage Spitzenmusik, ein Treffen der Metalszene, der Antifaleute, der Punker, der Normalos. Und alle haben ihren Spaß.

Es ist ein Wiedersehen. Auch die Schülerinnen Hanna Winkler, Friederike Grottian und Judith von Nordheim aus Uelzen sind gekommen, zum dritten Mal schon. Wegen der Leute, wegen der Musik, obwohl sie gar keine Band vorher kannten. Transmitter am Freitagabend, die war wirklich klasse, sagt Hanna.

Ein entspanntes Festival. Getränke gibt es zu äußerst moderaten Preisen. Für Essen sorgte Felix Neumann aus Salzwedel. Curryecken, Chinanudeln oder eine Bulgurgemüsepfanne schmecken, dazu rührt der Mann mit der großen bunten Ballonmütze auch mal ein indisches Joghurtgetränk namens Mango Lassi an. Fast unauffällig und doch allgegenwärtig sind die rund 40 Mitglieder und Freunde des Vereines Kuba, die das Festival organisiert haben. Stets ansprechbar, hilfsbereit, freundlich. Alles eine große Familie hier.

Freitag ist der Tag der härteren Klänge. Die Thüringer Low Life Loretta mit Langbartträger T. Lo am Mikro fi ndet allgemeine Beachtung. Mehr Stimmung kommt erwartungsgemäß bei Last Sunday aus Hamburg auf. Die Emocorer sorgen erstmals für mehr Enge vor der Bühne und lassen die langen Umbaupausen vergessen. Den Abschluss bilden zwei Hannoveraner Bands : Transmitter und andthewinneris sorgen bis nach 3 Uhr für viel Bewegung vor der Bühne.

Doch das Beste soll erst noch kommen. Am Sonnabend ist der miese Etze 25-Auftritt schnell vergessen, als die Klabusterbären loslegen. Gute-Laune-Punk mit Botschaft, etwa wann vom Bomberjackendorf gesungen wird. Aber auch Titel wie ” Kiffertraum in der Proletenstadt ” oder ” Säufergirl ” kommen gut an. Die Band schreckt auch vor Coverversionen nicht zurück : Steve Millers ” The Joker ” erlebt mit deutschem Text fröhliche Urstände, und bei der ” letzten Schlacht ” der Scherben kommt die linke Szene vor der Bühne in freudige Wallung. Da stört auch nicht der dezente Duft von Gülle, der übers Festivalgelände weht.

Dann wird ´ s – erstmals in der entgleist-Geschichte – irisch : Mit Dr. Irish Bastard steht die fröhlichste und unverkrampfteste Band des Festivals auf der Bühne. Irish-Punkrock mit Banjo, Flöte, bestem Gesang und das alles ganz schön schnell – vor der Bühne gibt es kein Halten mehr. Seit knapp einem Jahr spielt die Band erst zusammen. Ihr jahrelanges Rumdümpeln als mehr oder weniger erfolglose Punk- und Metalmusiker haben die fünf Männer und eine Frau hinter sich gelassen. Derzeit wird die zweite CD eingespielt, Konzerte gab ´ s schon in Österreich und der Schweiz. Und hoffentlich gibt es auch bald wieder eines in der Region. Es darf weiter getanzt werden. Rantanplan mit ihrer Mischung aus Ska und Punk sorgen weit nach Mitternacht für nassgeschwitzte TShirts. Posaune und Trompete, treibende Bässe – das Volk johlt und tanzt.

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Dokument erstellt am 23.07.2007 um 05:55:11 Uhr
Erscheinungsdatum 23.07.2007 | Ausgabe: gar

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