Hartgesottene Hymnen für die hassgeliebte Heimat

Die Klabusterbären aus Halle bleiben auch im dritten Anlauf Punk:

mz 18.01.07 Spaßcombo
Hartgesottene Hymnen für die hassgeliebte Heimat
Die Klabusterbären aus Halle bleiben auch im dritten Anlauf Punk
von Steffen Könau, 18.01.07, 18:54h, aktualisiert 18.01.07, 19:08h
Halle/MZ. Angefangen hat alles als spätpubertärer Spaß von
ein paar Freunden, die nicht so ganz wahrhaben wollten, dass die wilden Punk-Zeiten ein für allemal vorüber sind. Warum nicht einfach weiterspielen? Warum nicht rocken, auch wenn es nicht zu Hitparade und Welttournee reicht?
13 Jahre und drei Alben später hält die damals während einer Hausbesetzung spontan gegründete Band mit dem wunderlichen Namen Klabusterbären die Fahne des Punk immer noch wacker in die Luft. Auf “Amerika”, der im eigenen
Ohrworm-Studio eingespielten und jetzt beim Nix-Gut-Label erschienen neuen CD, lässt das Quintett einmal mehr gut gelaunt die Gitarren dröhnen, während Sänger Dr. Jay gallige Verse krächzt.
Reiner Spaßpunk aber ist das dann doch nicht. Verpackt in stets mitsingbare Melodien und pogotaugliche Rhythmen arbeitet sich das Provinz-Punk-Kommando an den großen, schweren Themen der Gegenwart ab.
Der Titelsong ist ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung George W. Bush, “Down in Germany” fühlt der deutschen Vergangenheit nach und “Hartz IV” blödelt böse über Schröders Sozialreformen. Natürlich wird hier nichts neu erfunden und dem vorhandenen Punk-Repertoire auch nur sehr vorsichtig
etwas hinzugefügt. Hin und wieder zappelt ein Stück im Reggae-Takt, dann und wann schält sich aus demGepolter von Gitarren, Bass, Keyboards und Drums etwas heraus, das wie in der Kleingangster-Ballade “Tyson” überraschend locker nach Banjo und Lagerfeuer klingt. Ausgerechnet dann sind die Punk-Bären am besten - wenn sie nichts Weltbewegendes durchwinken, sondern sich um das kleine Leben in der Nachbarschaft kümmern. Dann gelingen ihnen Reime wie “Du hast Bücher gelesen / Du bist in Weißenfels gewesen” wie in der fröhlichen Hymne “Verschwende Deine Jugend” und detailscharfe Alltagsbeschreibungen wie in “Schöner Leben”: “Ich wollte einfach schöner leben / und ein
Auto, das auch fährt.” Schöner ist nur die hopplige Heldensage von “Ludwig Wucherer”, die weniger den realen Unternehmer und seine Verdienste feiert, sondern das pulsierende Leben in der nach ihm benannten Straße. Das sind
hartgesottene Hymnen für die Heimat, mit der die Spaßcombo eine eigentümliche Hassliebe verbindet. Zu viel Provinz, so lange man dort ist. Zu Hause, sobald man weg fährt. Am Ende ein Abgesang: “Das Spiel ist
aus” handelt vom Fußball, in Kaiserslautern zumal. Die Melodie aber kann man auch in Sachsen-Anhalt singen.

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